Buddhistische Gemeinschaft Schweiz

 



Die Erleuchtung / Die Erwachung

Siddhattha erkannte, dass er mit der strengen Hunger-Askese nicht die Weisheit finden würde, sondern nur den Tod. Er sah, dass er den Bogen überspannt hatte, nahm wieder Nahrung zu sich und kam so langsam wieder zu Kräften.

Mit 35 Jahren wanderte er zur Stadt Uruvela, in der Nähe des heutigen Bodh Gaya, und fand im Umland eine anmutige Baumgruppe und einen Fluss mit silbern strömendem klarem Wasser. Hier liess er sich unter dem Bodhi-Baum, der auch Pappelfeigenbaum und Ficus religiosa genannt wird, zur Meditation nieder. Welche innere Wandlung Siddhattha in der ersten Vollmondnacht im Monat Vesakha (April / Mai) hier vollbrachte und so zum Buddha, dem Erwachten, wurde, erzählt er uns persönlich in der vierten Lehrrede der "Mittleren Sammlung":

"Und frisch, Ihr Mönche, war meine Kraft, rege; wach die Aufmerksamkeit, unverwirrt; beruhigt der Körper, ohne Regung; gesammelt der Geist, völlig einsgerichtet.

Und ich weilte, Ihr Mönche, fern von Lastern, fern von unguten Dingen, in der ersten Vertiefung, mit ihren Eindrücken, mit ihren Erwägungen, der aus der einsamkeit-geborenen, der freudvoll-beglückenden.

Nach Zurruhekommen der Eindrücke und Erwägungen erlangte ich die innere Beruhigung, die geistige Einheitlichung, weilte in der zweiten Vertiefung, der eindrucks-freien, der erwägungs-freien, der vertiefung-geborenen, der freudvoll-beglückenden.

Nach dem Verbleichen der Freude weilte ich gleichmütig, achtsam, vollbewusst; leibhaftig empfand ich jenes Glück, von welchem die Edlen zeugen als gleichmütig, einsichtig, glücklich weilend. So weilte ich in der dritten Vertiefung.

Nach Abtun des Glücks, nach Abtun des Leids, nach Hinschwinden der früheren Befriedigungen und Bekümmernisse weilte ich in der vierten Vertiefung, der leidfreien, der glückfreien, der in Gleichmut und Verinnerlichung geklärten.

So lenkte ich den gesammelten, geklärten, geläuterten, fleckenlosen, gereinigten, geschmeidigten, bereiten, standhaften, unerschütterlichen Geist hin auf das Wissen von der Wiedererinnerung an den Vorverweil. In mannigfacher Weise erinnerte ich mich des Vorverweils nach Inhalt und Örtlichkeit. Und dieses, Ihr Mönche, war das erste Wissen, im ersten Teil der Nacht von mir gewonnen; vernichtet war das Nicht-Wissen, geboren das Wissen, vernichtet die Dunkelheit, geboren das Licht, wie ich da unermüdlich, eifrig, zielbewusst weilte.

So lenkte ich den gesammelten, geklärten, geläuterten, fleckenlosen, gereinigten, geschmeidigten, bereiten, standhaften, unerschütterlichen Geist hin auf das Wissen vom Vergehen und Wiedergeboren werden der Wesen. Mit dem himmlischen, geklärten, den menschlichen Fähigkeiten übersteigenden Auge sah ich die Wesen, wie sie vergehen und wieder geboren werden; gemeine und edle, schöne und hässliche, glückliche und unglückliche; ich erkannte die Wesen, wie sie gemäss dem Wissen ins Lebens treten. Und dieses, Ihr Mönche, war das zweite Wissen, im mittleren Teil der Nacht von mir gewonnen; vernichtet war das Nicht-Wissen, geboren das Wissen, vernichtet die Dunkelheit, geboren das Licht, wie ich da unermüdlich, eifrig, zielbewusst weilte.

So lenkte ich den gesammelten, geklärten, geläuterten, fleckenlosen, gereinigten, geschmeidigten, bereiten, standhaften, unerschütterlichen Geist hin auf das Wissen vom Versiegen der Triebe: Das ist Dukkha (Pãli: Unzulänglichkeit, Ungemach, Plage, Pein, Unbehagen, Leid, Kummer) - diese unmittelbare Einsicht ging mir wirklichkeitsgemäss auf; das ist Dukkha-Entstehung - diese unmittelbare Einsicht ging mir wirklichkeitsgemäss auf; das ist Dukkha-Aufhebung - diese unmittelbare Einsicht ging mir wirklichkeitsgemäss auf; das ist der zur Dukkha-Aufhebung führende Weg - diese unmittelbare Einsicht ging mir wirklichkeitsgemäss auf. Das sind die Triebe; das ist die Triebentstehung; das ist die Trieb-Aufhebung; das ist der zur Trieb-Aufhebung führende Weg - diese unmittelbare Einsicht ging mir wirklichkeitsgemäss auf. Als ich das erkannte, das durchschaute, wurde mein Geist frei vom Sinnlichkeitstrieb, frei vom Daseinstrieb, frei vom Nichtwissenstrieb. Im Befreiten war das Wissen vom Befreitsein; versiegt ist Geburt, ausgelebt das Reinheitsleben, vollbracht die Aufgabe; nichts Weiteres als dieses hier - diese unmittelbare Einsicht ging mir auf. Und dieses, Ihr Mönche, war das dritte Wissen, im letzten Teil der Nacht von mir gewonnen; vernichtet war das Nicht-Wissen, geboren das Wissen, vernichtet die Dunkelheit, geboren das Licht, wie ich da unermüdlich, eifrig, zielbewusst weilte." (M4 aus dem Pãli übersetzt von Paul Dahlke, Berlin 1923)

Das dritte Wissen wird in anderen Textstellen als die "Vier Edlen Wahrheiten" bezeichnet und "Der zur Dukkha-Aufhebung führende Weg" wird " Der achtfache Pfad" genannt.

Der Vesakha-Vollmond ist aufgrund dieses Ereignisses der höchste buddhistische Feiertag.

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