Buddhistische Gemeinschaft Schweiz

 



erste Stufe: Sammâditthi, rechte Erkenntnis

[Andere Übersetzungen sind: Rechter Glaube, rechte Ansichten, rechtes Verständnis, rechte Einsicht]

Inwiefern nun, ihr Mönche, hat ein heiliger Anhänger die rechte Erkenntnis?

[Erkenntnis des Heilsamen und Unheilsamen:] Wenn, ihr Mönche, der edle Anhänger das Unheilsame erkennt und die Wurzel des Unheilsamen erkennt, wenn er das Heilsame erkennt und die Wurzel des Heilsamen erkennt, dann hat er, ihr Mönche, die rechte Erkenntnis, ist seine Erkenntnis eine ehrliche, seine Liebe zum Dhamma erprobt, gehört er dieser edlen Lehren an.

Was ist nun, ihr Mönche, das Unheilsame? 

[Das zehnfache schlechte Wirken:]

I. Körperliches Wirken (Kâya-kamma):
1. Töten, ihr Mönche, ist das Unheilsame
2. Stehlen ist das Unheilsame
3. Sexuelles Fehlverhalten ist das Unheilsame

II. Sprachliches Wirken (Vâci-kamma):
4. Lügen ist das Unheilsame
5. Verleumden ist das Unheilsame
6. Roh reden ist das Unheilsame
7. Unnütz reden ist das Unheilsame

III. Inneres Wirken (Mano-kamma):
8. Begierde ist das Unheilsame
9. Haß ist das Unheilsame
10. Verblendung ist das Unheilsame

[Die dreifache Wurzel des Unheilsamen:] Und was, ihr Mönche, ist die Wurzel des Unheilsamen? Begierde (lobha) ist die Wurzel des Unheilsamen, Haß (dosa) ist die Wurzel des Unheilsamen, Wahn (moha) ist die Wurzel des Unheilsamen.

Und was, ihr Mönche, ist das Heilsame?

[Das zehnfache gute Wirken:]

I. Körperliches Wirken (Kâya-kamma):
1. Überwindung des Tötens, ihr Mönche, ist das Heilsame
2. Überwindung des Stehlens ist das Heilsame
3. Überwindung des sexuellen Fehlverhaltens ist das Heilsame

II. Sprachliches Wirken (Vâci-kamma):
4. Überwindung der Lügen ist das Heilsame
5. Überwindung der Verleumdung ist das Heilsame
6. Überwindung der rohen Rede ist das Heilsame
7. Überwindung der unnützen Rede ist das Heilsame

III. Inneres Wirken (Mano-kamma):
8. Überwindung der Begierde ist das Heilsame
9. Überwindung des Haßes ist das Heilsame
10. Überwindung des Verblendung ist das Heilsame

[Die dreifache Wurzel des Heilsamen:] Uns was, ihr Mönche, ist die Wurzel des Heilsamen? Freisein von Begierde ist die Wurzel des Heilsamen, Freisein vom Haß ist die Wurzel des Heilsamen, Freisein von Wahn ist die Wurzel des Heilsamen.

[Erkenntnis des Dukkha:] Und ferner noch, ihr Mönche, wenn der edle Anhänger das Dukkha erkennt, und die Dukkha-Entstehung, die Dukkha-Aufhebung erkennt und den zur Dukkha-Aufhebung führenden Pfad, dann hat er, ihr Mönche, die rechte Erkennntnis, ist seine Erkenntnis eine ehrliche, seine Liebe zum Dhamma erprobt, gehört er dieser edlen Lehre an. (M 9).

[Unnütze Fragen:] Wer da, ihr Mönche, also spräche: "Nicht eher will ich bei dem Erhabenen das Anhänger-Leben führen, bis mir der Erhabene mitgeteilt haben wird, ob die Welt ewig oder zeitlich ist, ob die Welt endlich oder unendlich, ob Leben und Leib ein und dasselbe, oder anders das Leben und anders der Leib ist, ob der Vollendete nach dem Tode fortbesteht oder nicht fortbesteht", dem könnte, ihr Mönche, der Tathâgata nicht genug mitteilen: denn jener stürbe zuvor hinweg. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann von einem Pfeile getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde, und seine Freunde und Genossen, Verwandte und Vettern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt; er aber spräche: "Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehen lassen, bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, ob er ein Fürst oder ein Brahmane, ein Bürger oder ein Diener ist"; wenn er spräche: "Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehen lassen, bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, wie er heißt, woher er stammt, wohin er gehört"; wenn er spräche: "Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehen lassen, bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, ob er groß oder klein oder von mittlerer Gestalt ist", nicht genug, wahrlich, ihr Mönche, könnte dieser Mann erfahren: denn er stürbe zuvor hinweg. (M 63).

Oh, möchte deshalb der Mensch, der doch sein eigenes Wohl sucht, diesen Pfeil herausreißen, diesen Pfeil des Jammers, der Klagen und der Sorgen; denn ob nun diese These: "Die Welt ist ewig" zurecht besteht, oder die These: "Die Welt ist zeitlich": sicher besteht Geburt, besteht Altern, besteht Sterben, besteht Wehe, Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, deren schon bei Lebzeiten zu erreichende Aufhebung ich kennen lehre. (M 63).

Da hat einer, ihr Mönche, nichts erfahren, ist ein gewöhnlicher Mensch, ohne Sinn für das Heilige, der heiligen Lehre unkundig, der heiligen Lehre unzugänglich, ohne Sinn für das Edle, der Lehre der Edlen unkundig, der Lehre der Edlen unzugänglich. [Die fünf großen Fesseln:] Der Glaube an Persönlichkeiten hat sein Herz umsponnen, hat sein Herz umzogen, und wie man dem starken Glauben an Persönlichkeit entgehen könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß; dem ist dieser Glaube an Persönlichkeit, weil er ihn hat erstarken lassen, weil er ihn nicht aufgelöst hat, zu einer niederzerrenden Fessel geworden. Der Zweifel hat sein Herz umsponnen, die Askese als Selbstzweck [Im Pâli: Sîlabbata paramasa. Dies ist die Einbildung, daß man Tugend durch Sittlichkeitsregeln oder durch blosse Zeremonien oder auch durch beide erlangen könne. In Fa-Kheu-King-Tsu, dem Dhammapada der Chinesen, heißt es: "Opferverrichtungen und dergleichen Dienste sind Quellen der Sorge, Tag und Nacht eine beständige Bürde und Last; um dem Leiden zu entgehen, sollte man sich an die Lehre des Buddha halten und sich von den Banden aller Religionsformen frei machen."] hat sein Herz umsponnen, die Sucht des Begehrens hat sein Herz umsponnen, die Gehässigkeit hat sein Herz umsponnen, hat sein Herz umzogen; und wie man diesen starken Fesseln entgehen könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß; dem sind diese Übel, weil er sie hat erstarken lassen, weil er sie nicht aufgelöst hat, zu niederzerrenden Fesseln geworden.

Ohne Kenntnis der würdigen Dinge, ohne Kenntnis der unwürdigen Dinge achtet er auf das Unwürdige und nicht auf das Würdige.

[Seichte Erwägungen:] Und seicht erwägt er also "Bin ich wohl in den vergangenen Zeiten gewesen? Oder bin ich nicht gewesen? Was bin ich wohl in den vergangenen Zeiten gewesen? Wie bin ich wohl in den vergangenen Zeiten gewesen? Was geworden bin ich dann was gewesen? Werde ich wohl in den zukünftigen Zeiten sein? Oder werde ich nicht sein? Was werde ich wohl in den zukünftigen Zeiten sein? Wie werde ich wohl in den zukünftigen Zeiten sein? Was geworden werde ich dann was sein?" Und auch die Gegenwart erfüllt ihn mit Zweifeln: "Bin ich denn? Oder bin ich nicht? Was bin ich? Und wie bin ich? Dieses Wesen da, woher ist es wohl gekommen? Und wohin wird es gehen?" 

[Die sechs Spekulationen über die Seele:] Und bei solchen Erwägungen kommt er zu dieser oder zu jener der sechs Ansichten. Die Ansicht: "Ich habe eine Seele" wird ihm zur festen Überzeugung, oder die Ansicht: "Ich habe keine Seele" wird ihm zur festen Überzeugung, oder die Ansicht: "Beseelt ahn´ ich Beseelung" wird ihm zur festen Überzeugung, oder die Ansicht: "Beseelt ahn´ ich Entseelung" wird ihm zur festen Uberzeugung, oder die Ansicht: Entseelt ahn´ ich Beseelung" wird ihm zur festen Überzeugung, oder erkommt zu folgendes Ansicht: "Mein selbiges Selbst, sage ich, findet sich wieder, wenn es da und dort den Lohn heilsamer und unheilsamer Werke genießt, und dieses mein Selbst ist dauernd, beharrend, ewig, unwandelbar, wird sich ewiglich also gleich bleiben."

Ist das nicht, ihr Mönche, eine völlig ausgereifte Narrenlehre? Das nennt man, ihr Mönche, Gasse der Ansichten, Höhle der Ansichten, Schlucht der Ansichten, Dorn der Ansichten, Hag der Ansichten, Garn der Ansichten. Ins Garn der Ansichten geraten, ihr Mönche, wird der unerfahrene Erdensohn nicht frei von Geborenwerden, Altern und Sterben, von Not, Jammer, Leiden und Schmerz, von Gram und Verzweiflung; er wird nicht frei, sage ich, vom Dukkha.

Doch der erfahrene, heilige Anhänger, ihr Mönche, merkt das Heilige, ist der heilige Lehre gewärtig, ist der geheiligen Lehre wohl zugänglich, merkt das Edle, ist der Lehre der Edlen gewärtig, ist der Lehre der Edlen wohl zugänglich; erkennt, was der Achtsamkeit wert ist; erkennt, was der Achtsamkeit unwert ist. Bekannt mit den würdigen Dingen, bekannt mit den unwürdigen Dingen achtet er nicht des Unwürdigen, sondern des Würdigen. "Dies ist das Dukkha" erwägt er gründlich. "Dies ist die Dukkha-Entstehung" erwägt er gründlich. "Dies ist die Dukkha-Aufhebung" erwägt er gründlich. "Dies ist der zur Dukkha-Aufhebung führende Pfad" erwägt er gründlich.

[Der erste Pfad der Heiligung und die Befreiung von den drei Fesseln:] Und bei solcher gründlicher Erwägung lösen sich ihm die drei Umgarnungen auf: die egoistischen Ansichten, die Zweifelsucht und der Glaube an die Wirksamkeit äußerer Handlungen. Und mehr als die höchste Würde der Erde, als der Genuß himmlischer Freuden und der Besitz des ganzen Weltalls ist schon dieser erste Schritt auf dem Pfade der Heiligung wert; denn jene Anhänger, welche die drei Fesseln irdischen Wahnes abgestreift haben, alle diese sind "Hörer der Botschaft" (Sotâpannâ) [Die vier Pfade der Heiligkeit sind der Pfad des Sotâpannâ, des Sakadâgâmî, des Anâgâmî und des Arahâ. Diese vier Klassen von heiligen Anhängern besitzen die vollkommene rechte Erkenntnis (lokuttara sammâditthi) im Gegensatz zur unvollkommenen rechten Erkenntnis (lokiya sammâditthi) der weltlichen Anhänger.] geworden, dem Verderben entronnen, eilen zielbewußt dem vollen Erwachen entgegen (M 22).

Wenn nun jemand, ihr Mönche, die Frage aufwerfen wollte: "Bekennt denn der Herr Gotama irgend eine Ansicht?", dem wäre, ihr Mönche, also zu erwidern: "Eine Ansicht, Bruder, kommt dem Vollendeten nicht zu. Denn der Tathâgata, Bruder, hat es gesehen: "So ist die Form, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so ist das Gefühl, so entsteht es, so löst es sich auf; so ist die Wahrnehmung, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so sind die Unterscheidungen (Sankhârâ, Vorstellungen, Einbildungen), so entstehen sie, so lösen sie sich auf; so ist das Bewußtsein, so entsteht es, so löst es sich auf." Darum, sage ich, ist der Vollendete durch aller Meinungen und aller Vermutungen, durch aller Ichheit, Eigenheit und Dünkelsucht, Versiegung, Abweisung, Aufhebung, Ausrodung, Entäußerung restlos erlöst. (M 72). 

Wahrlich, ihr Mönche, wovon die Weisen erklären: "Es ist nicht in der Welt," davon sage auch ich: "Es ist nicht"; wovon die Weisen erklären: "Es ist in der Welt", davon sage auch ich: "Es ist." (S III.)

[Anicca, Vergänglichkeit:] Und ob auch, ihr Mönche, Weise (Buddhâ) in der Welt auftreten oder nicht, so bleibt es dennoch eine Tatsache und die feste, notwendige Bedingung, daß alle Daseinsformen (dhammâ) vergänglich (anicca) sind. (A). Denn der Körper, ihr Mönche, ist vergänglich, das Gefühl ist vergänglich, die Wahrnehmung ist vergänglich, die Unterscheidungen (sankhâra) sind vergänglich, das Bewußtsein ist vergänglich. (M).

[dukkha, Pãli: Unzulänglichkeit, Ungemach, Plage, Pein, Unbehagen, Leid, Kummer:] Ob auch, ihr Mönche, Weise in der Welt auftreten oder nicht, so bleibt es dennoch eine Tatsache und die feste, notwendige Bedingung, daß allen Daseinsformen Dukkha innewohnt. (A). Denn der Körper ist leidvoll, das Gefühl ist leidvoll, die Wahrnehmung ist leidvoll, die Unterscheidungen sind leidvoll, das Bewußtsein ist leidvoll. 

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